· 

Rocket man

 Es ist sicher keine schlechte Idee, im Jubiläumsjahr der ersten Mondlandung ein neues Album „The Rocket“ zu nennen. Und wenn die Rakete dann auch noch zum oberen Rand der Vinyl-Charts aufsteigt, kann man wohl von einer erfolgreichen Mission sprechen. Oliver Schulz unterhielt sich mit dem entspannten Jazz-Pianisten Martin Tingvall.

 

„The Rocket“ sei ihm als Titel einfach so eingefallen, sagt Tingvall. Vielleicht ist daran die Mondlandung vor 50 Jahren schuld. „Themen wie Raumfahrt und Astronomie haben mich immer interessiert. Alle Dinge, die zu groß sind, um sie nebenbei abzuhandeln. Dann spüre ich Demut und fühle mich ganz klein. Dazu gehört für mich auch die Frage, warum es etwas in den Menschen auslöst, wenn sie dieses oder jenes Stück von mir hören.“

 

Den großen Erfolg, den der Schwede mit Wahlheimat Hamburg in den vergangenen zwei Jahrzehnten als Künstler solo am Klavier und im Jazz-Trio mit Jürgen Spiegel und Omar Rodriguez errang, oder als Komponist von Filmmusik für einige Kölner Folgen des „Tatort“ oder der ARTE-Dokumentation „Hüter der Tundra“, oder im Songwriting für Udo Lindenberg bei „Wenn Du durchhängst“ und „Das Leben“, weiß er gut einzuschätzen. „Ich habe große Pianisten wie Chick Corea und Keith Jarrett gehört. Und bei Abdullah Ibrahim habe ich fast geweint, so sehr hat mich sein Klavierspiel berührt. Mit ihnen kann ich mich nicht vergleichen. Ich bin Martin, und ich koche in meiner kleinen Suppe. Und ich bin sehr glücklich, dass so viele Menschen meine Musik mögen.“

 

 

Tingvall tut, was er kann - und das tut er herausragend. „Auf dem Klavier kann man alle Register spielen - von minimalistisch bis gewaltig. Das gibt einem unglaublich viele Möglichkeiten, aber es ist auch eine große Herausforderung“, verrät der 45-Jährige, der selbstkritisch genug ist, zu entscheiden, was er seinem Publikum zumutet. „Ich probiere am Klavier ständig dieses und jenes; so wie ich jeden Tag komponiere. Aber nicht immer wird etwas daraus.“  

 

Die Neugier auf technische Ausrüstung und elektronische Instrumente ist bei Tingvall groß. „Ich arbeite für Soundtracks mit Keyboards, Programming und Sampling. Und ich habe ein Fender Rhodes Piano im Keller. Darauf zu spielen, macht mir schon Spaß. Aber ich glaube nicht, dass ich ein wirklich guter Keyboarder bin. Für einen Pianisten wie mich ist das eine andere Welt.“

 

Für den legendären Klavier-Hersteller Steinways hat Martin Tingvall vor zwei Jahren einige Titel aufgenommen. Das integrierte, digitale System namens „Spirio“ spielt auf den weltberühmten Flügeln ohne eigenes Zutun eine Vielzahl programmierter Stücke ab. Das sieht schick aus und ist entsprechend teuer. „Es ist eine unfassbare Technik und eine enorme Akustik, aber ich habe mich nicht wohlgefühlt dabei. Was am Ende mit meiner Unterstützung herauskam - das war ich nicht.“

 

Den echten Martin Tingvall können die Zuhörer am 13. September in der Oldenburger Garnisonkirche erleben. Ein Spielort, der den erfahrenen Pianisten herausfordert. „Manche Kirchen haben drei Sekunden Nachhall, manche 13 Sekunden. Entsprechend muss ich andere Akzente setzen und das Tempo anpassen. Details kenne ich noch nicht. Aber ich mag das. Ich springe gern direkt ins Wasser.“

 

Text und Fotos: oli/anBeat.com

Kommentar schreiben

Kommentare: 0