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Die dunkle Scheibe der Macht

Die Welt ist eine dunkle Scheibe und sie dreht sich mit 33 Umdrehungen pro Minute. Wer dieses Biotop aus Schallplatten, Tonabnehmersystemen und Abtastnadeln nicht verlassen möchte, kann dort gemütlich leben.

 

In der musikalischen Parallelwelt geht´s dagegen steriler zu: Kalte Klänge auf digitalen Speichern (Compact Discs) und seelenloses Endlosgedudel über das Internet (Streaming) haben die Sehnsucht nach knisternden und knackenden Vinylscheiben neu geweckt. Der Record Store Day, also der Tag der unabhängigen Plattenläden, wird an diesem Samstag gefeiert.

 

„Oldenburg ist ein außergewöhnliches Pflaster“, sagt Frank Walde, seit 1989 Betreiber von „MTS Records“ in der Schüttingstraße. „Mit dem ,Scheibenkleister‘ und unserem Laden hat die Stadt gleich zwei dieser besonderen Orte zu bieten. In vergleichbar großen Städten gibt es manchmal nur einen Drogeriemarkt, der zufällig wieder LPs ins Programm genommen hat.“

 

Der Record Store Day (RSD) findet jedes Jahr am dritten Samstag im April statt. Die ursprüngliche Idee wurde von Michael Kurtz und einer Handvoll Enthusiasten 2007 in den USA erstmalig in die Tat umgesetzt, um die einzigartige Kultur der Indie-Plattenläden zu würdigen. Im deutschsprachigen Raum werden wieder über 200 Läden teilnehmen.

 

„Natürlich finde ich den Tag sehr gut – vor allem, weil er den Fokus auf uns unabhängige Betreiber lenkt, die ihre Läden mit viel Liebe und Herz führen“, erläutert Walde.

 

Ob es wieder so wie früher werden wird, als MTS Records ein Ort regelmäßiger Treffen und Fachsimpeleien von DJs und Musikern war, mag er nicht vorauszusagen. „Aber die Aufmerksamkeit tut uns gut. Wir spüren eine Bewegung und Sympathie, für das, was wir tun.“

 

Auch Hans Feve Beckmann, genannt „Akka“, vom „Scheibenkleister“ sieht diesen besonderen Tag positiv; ist aber unschlüssig, welches Ziel erreicht werden soll. „Mindestens 80 Prozent der Kunden an diesem Tag sind ohnehin Stammkunden. Bei den anderen muss man sehen, wie viele generell am Stöbern interessiert sind. Und wie viele David-Bowie-Fans zum Beispiel nur auf der Jagd nach speziellen Veröffentlichungen anlässlich des RSD sind.“ Letztere werde er dann eher nicht wiedersehen.

 

Der 61-Jährige führt die „Institution“ in Oldenburg seit 1983. Den „Namenstag“ im April macht er seit zehn Jahren mit. „Vor zwei Jahren hatten wir sogar zwei Live-Bands im Scheibenkleister. Dafür mussten wir hier alles komplett umräumen. Der Aufwand war schon beträchtlich“, räumt Beckmann ein. Dieses Mal gibt es wieder Musik vom Plattenteller.

 

Wer Nick Hornbys Nerd-Roman „High Fidelity“ liebt, oder auch nur den Film kennt, wird sich bei MTS Records und Scheibenkleister pudelwohl fühlen: Schallplatten in Pappcovern in Einzeltüten in Holzkisten im Halbdunkel. Herrlich – nur stylische Marketingprofis bekommen hier die Krise.

 

Ungefähr 30 000 Platten sind bei Beckmann zwischengelagert. Die meisten stapeln sich im Lager hinter dem Verkaufsraum. Dicht an dicht stehen sie hier an hohen Wänden. Das Sortiment ist bunt gemischt, aber alphabetisch geordnet: Von „Abba bis Zappa“ lautete früher der branchenübliche Werbespruch.

 

Worin also liegt das gewisse Etwas beim Plattenhören?

 

Im „Skip-Effekt“, sagt Frank Walde und erklärt: „Die normale Platte war von den Bands so aufgebaut: Der erste Titel war ein Kracher, der schnell über den zweiten, schwächeren hinweg trug, hin zum dritten und vierten Lieblingslied“, erläutert er. „Jahre später hatte man sich an denen dann satt gehört. Der Kracher hatte seine Kraft verloren und das ,zweite, blöde Stück‘ wurde immer spannender.“ Wer am CD-Spieler dagegen nach dem „Kracher“ die Skip-Taste drückte, hatte keine Chance, jemals den zweiten Titel zu entdecken.

 

Klingt kompliziert? Nur für den, der niemals einen Plattenspieler besaß.

 

anBeat/oli

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