Was es bedeutet, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein, weiß Nathan Ott zu erzählen. An einem Sommerabend 2007 war es um den 18-Jährigen geschehen, denn er ging hoffnungslos verloren an den Jazz. Kein Geringerer als Dave Liebman, weltbekannter amerikanischer Sopransaxophonist und Sideman von Miles Davis in den frühen siebziger Jahren, sendete beim Augsburger Jazzsommer seine Signale in Kopf, Herz und Seele des jungen Mannes vor der Bühne.
Dabei war der talentierte Herr Ott eigentlich der Geige versprochen: „Ich sollte von renommierten Lehrern ausgebildet werden und Wettbewerbe spielen. Dieser Weg war eigentlich vorgesehen für mich“, erzählt der heute 28-jährige Schlagzeuger, der mit eben jenem Dave Liebman sowie Sebastian Gille (Tenorsaxofon) und Robert Landfermann und Jonas Westergaard (Bass) gerade ausgiebig tourte, um sein neues Album „The Cloud Divers“ vorzustellen.
Der Jazz löste Nathan Ott die Fesseln, die die Klassik ihm angelegt hatte; sich selbst und seine Musik konnte er von nun an nur noch auf dem Befreiungsschlagzeug verwirklichen. „Mit Jazz anzufangen bedeutete für mich, mein eigenes Ding zu machen“.
Hätte Dave Liebman seinen Fan schon damals auf die Bühne gebeten, ihm Drumsticks in die Hand gedrückt und mit ihm eine rauschende Jamsession absolviert, wäre es gleichermaßen unwirklich wie kitschig verlaufen und höchstens Stoff für eine Hollywood-Schmonzette gewesen. In der Realität waren allerdings noch einige Jahre und Runden zu absolvieren, bis beide zusammenkamen. Doch immer war Liebmans Musik Antrieb und Inspiration.
Nathan Ott zog von Augsburg nach Hamburg, um bei Holger Nell Schlagzeug zu studieren. In der Szene wurde er durch sein präzises Spiel und seine enormes Einfühlungsvermögen ein gefragter Partner. Und am Ende schloss sich der Kreis. „Es gibt ein besonderes Förder-Projekt namens „Mixed Generations“, das es ermöglicht, eigene Musik mit einem namhaften Instrumentalisten aufzuführen“, erzählt Ott. Da war ihm klar: „Nun konnte ich sein, wo ich wollte - an der Quelle, bei Dave Liebman.“
Der inzwischen 71-jährige Liebman ist einer der wichtigsten und bedeutendsten Jazzsaxophonisten unserer Zeit, der bei den Giganten gelernt hat, allen voran John Coltrane, mit Miles Davis auf dem Fusion-Album „Get Up With It“ spielte, mit Elvin Jones tourte, ebenso mit Chick Corea und John Scofield, und jetzt mit dem Nathan Ott Quartett. Und immer spielte Liebman auf komplizierte Weise ganz einfach.
Als Saxophonist, Komponist und auch als Pädagoge hat er Spuren in der Vergangenheit hinterlassen, um auch in der Zukunft Akzente zu setzen. Der Mann aus Brooklyn verbreitet auf seinen Reisen und Gastspielen Zuversicht und Inspiration; auch für Nathan Ott: „Dave Liebman ist für mich jemand, der wirklich eine Quelle war und ist. Und jedes Mal, wenn wir spielen und wenn wir was miteinander zu tun haben, hab ich das Gefühl, ich bin da, wo ich sein sollte.“ Zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
anBeat/oli
Nathan Ott: The Cloud Divers/Unit Records, 2018
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