Paul is dead. Seit über 50 Jahren halten es Verschwörungstheoretiker für bewiesen, dass die Beatles-Ikone nicht mehr die Bühne dieser Welt bespielt. Regisseur Danny Boyle und Autor Richard Curtis eliminieren John, George und Ringo gleich mit und schaffen eine Welt ohne Beatles - dafür mit Ed Sheeran. Herausgekommen ist die britische Filmkomödie "Yesterday" - ein amüsantes, aber nicht immer überzeugendes "What if".
Was wäre, wenn Paul McCartney schon seit 53 Jahren tot ist? Was wäre, wenn der Sänger und Bassist, Texter und Komponist der Beatles an einem nebligen Novembermorgen im Jahr 1966 bei einem Autounfall bis zur Unkenntlichkeit verbrannt ist? Und was wäre, wenn der Platz des damals 24-Jährigen in der weltberühmten Band auf Drängen der Plattenfirma EMI mit William Campbell, dem Sieger des Paul-Ähnlichkeits-Wettbewerbs, besetzt worden ist?
Dann hätten alle Verschwörungstheoretiker recht gehabt, und das Kennzeichen des geparkten VW Käfers auf dem Abbey-Road-Cover, „LMW 28 IF“ (also 28 Jahre alt, wenn er nicht gestorben wäre), wäre ebenso eine versteckte Botschaft für Pauls frühen Tod gewesen wie die auf dem Zebrastreifen-Foto in der rechten Hand gehaltene Zigarette des Linkshänders McCartney.
Und überhaupt: Was wäre, wenn es die Beatles nie gegeben hätte? Diese Idee klang so absurd, dass sich daraus prima die Sommerkomödie „Yesterday“ drehen ließ, die am 11. Juli in den Kinos ihre Deutschland-Premiere feiert. Es ist der erste gemeinsame Kinofilm des Oscar-prämierten Regisseurs Danny Boyle (Slumdog Millionär, Trainspotting) und des Oscar-nominierten Drehbuchautors Richard Curtis (Vier Hochzeiten und ein Todesfall, Notting Hill).
Die Handlung ist leicht aufgesetzt und schnell zu erfassen: Jack Malik, gespielt von Himesh Patel, ist ein gleichermaßen leidenschaftlicher wie erfolgloser Straßenmusikant, der von der großen Bühne träumt und doch nur auf Kirchweihfesten die Gitarre zupfen darf. Immerhin hält seine Jugendfreundin Ellie (Lily James) unerschütterlich an ihm fest. Ein Plot, der schon beim prämierten Musiker-Roadmovie „Once“ von 2007 glänzend funktionierte. So weit, so bekannt.
Leben und Film nehmen die entscheidende Wendung, als Jack während eines merkwürdigen weltweiten Stromausfalls auf seinem Rad vom Bus angefahren wird. Er fällt auf Kopf und Zähne, und als er zu Bewusstsein kommt, scheint alles wie immer.
Denkste! Beim Klampfen auf der geschenkten Gitarre wundert sich Jack doch sehr darüber, dass seine Freunde „Yesterday“ weder erkennen noch überhaupt jemals etwas von den Interpreten gehört haben. „Beatles? Du meinst die Käfer? Oder den VW?“ Eine Wortspielerei, die in der synchronisierten Fassung gerade so funktioniert, aber ganz lustig ist. Auch die Internet-Recherche fördert unter der Abfrage „John Paul George Ringo“ nur die beiden verstorbenen Päpste „John Paul“ zutage.
Die unglaubliche Erkenntnis, dass die berühmteste Band der Welt samt ihres musikalischen Kulturerbes aus dem Gedächtnis der Menschheit ausradiert wurde, ist gleichzeitig das Dilemma: Wem gehören die Songs der Beatles, wenn sie niemand vermisst, weil keiner sie kennt? Außer Jack!
Die Antwort liefert der Film, der hiermit allen Musikfreunden empfohlen ist. Beatles-Fans dürfen sich am Thema erfreuen und werden nachsichtig über Jacks Interpretationen hinwegsehen; die besten Cover-Versionen bietet übrigens der Film-Soundtrack zum Drama „I am Sam“ aus dem Jahr 2001.
Ed-Sheeran-Fans dürfen sich am Originaldarsteller mit blasser Haut und rotem Haar erfreuen, der sich selbst spielt und auch singt, dabei sehr witzig ist und sein junges, erfolgreiches Lebenswerk herrlich auf die Schippe nimmt. Und Drehbuchschreiber Curtis ist seit seinen Londoner Hugh-Grant-Komödien berühmt für spritzige Dialoge und skurrile Szenen.
Eine Antwort bleibt der Film „Yesterday“ allerdings schuldig: Was wäre, wenn es die Beatles niemals gegeben hätte?
Na, dann hätte man sie wohl erfinden müssen.
Text: oli/anbeat.com
Fotos: Universal Pictures International
Kommentar schreiben